Der Moralpegel der Gesellschaft
spiegelt sich in ihren Medien. 2 Beispiele zur Spiegelung der
Verkehrsmoral:
Ich liebe Ursula Schnell, die jeden
Dienstag nicht nur schnell ermittelt, sondern auch durch die Stadt
rast, neben sich den armen Franitschek, der immer wieder fuchtelnd
mit schreckgeweiteten Augen pädagogische Vorstöße wagt: „Sag,
bist du deppert?“.
Aus der Perspektive der rasanten
Schnell wirken die Geh- oder Radwesen wie Freiwild ohne Identität,
Biomasse, die da immer mal wieder im Weg steht, Seiten wechselt und
dann meist blöd schaut oder nachfuchtelt. Am Steuer die coole
hübsche und intelligente Frau (und Polizistin!) und da draussen:
Irgendwas, das zappelt und stört.
Da wechsle ich Gehwesen mal konspirativ
die Seite und ärgere mich mit der feschen Kommisarin, verachte und
übersehe mit ihr Gehwesen aller Art und finde Spaß an der Jagd auf
diese Schwächlinge. Die Art, wie sie ihre Ziele verfolgt, ihre Welt
und ihr Tempo machen Gehwesen zu Hindernissen, lästigen Störungen
im Strom der Waren und Wichtigkeiten.
In Werner Beinhart ist es der Igel, der
bereits beinlos in der Karre über die Straße stakst und jedesmal
abgeschossen wird: Bruhaha.
Im Kino läuft derzeit mit prächtigem
Erfolg „Ziemlich beste Freunde“, ein Film über die Freundschaft
zweier Männer, der eine weiß, reich und gelähmt, der andere
schwarz, arm aber topfit.
Ein Pärchen, das unterschiedlicher
kaum sein könnte.
Was der Film mit meinem Thema zu tun
hat? Am Anfang und Ende steht eine wüste Raserei mit einem Maserati
über die dicht befahrene Autobahn, verfolgt von Polizeistreifen.
Alles mögliche wird im Film infrage gestellt, vom Wert des
Materiellen über die Diskriminierung von Einwanderern, Abgehobenheit
der „Leitkultur“ bis zu Fragen der Gerechtigkeit.
Nur eines wird präsentiert als
Selbstverständlichkeit, als reinster Ausdruck männlicher Vitalität
und Freiheit in einer Welt der Zwänge: Das Herumrasen mit einem
Boliden durch den dichtesten Zivilverkehr, pure Lust, blitzendes
Männerzahnlachen, 2 Kavaliere, die mal eben ein wenig die Sau raus
lassen. Ein Querschnittgelähmter, der seine Behinderung einem
Paragleiterunfall und nicht einer Autokarambolage verdankt. Von der
Polizei gestellt, gelingt es dem feschen Fahrer den bescheuerten
Bullen glaubhaft zu machen, dass es um Leben und Tod geht, eine
notwendige Raserei ins Krankenhaus, weil der sonst stirbt. Die
endlich überzeugte Polizei eskortiert den Maserati daraufhin ins
Spital. Natürlich ist alle Sympathie bei den Schlingeln angelangt.
Dass so eine Raserei, wie durch
glaubwürdige Autostunts vermittelt, sicher einige Todesopfer,
zahlreiche Schwerverletzte, darunter auch sicherlich Frauen, Kinder,
Igel, Hunde, Omas und Opas gefordert hätte, fällt unter den Tisch
unschuldiger männlicher automobiler Lebendigkeit, zelebriert auf
einem Massakerati.
Dass auch Fahrräder Killer sein
können, erfuhr ich neulich, als ich Karl Kraus googelte, um etwas
über sein Ableben zu erfahren: Er wurde überfahren, und zwar von
einem Radfahrer. An den Folgen des Unfalls verstarb er ein paar
Monate nach der Kollision.
Auf diesem Hintergrund erscheint mir
ein grundsätzliches Umdenken und eine massive Adaption der
Straßenverkehrsordnung notwendig. Nicht der Autofahrer muss mittels
Fahrschule seine Qualifikation für das Lenken eines Automobils
erbringen (das kann heute jedes Kind ab 3),
der Fußgänger sollte zum Erwerb eines
Gehscheins verpflichtet werden.
Das Gehwesen sollte erzogen werden zu
Achtsamkeit und Zurückhaltung.
Die Polizei sollte Fußgänger vermehrt
kontrollieren, Fehlverhalten bestrafen und die Autofahrer in Ruhe
lassen.
Der Grundkurs der Gehschule wird sowohl
Theorie als auch Gehpraxis mit einem zertifizierten Gehlehrer
beinhalten.
Der Gehlehrer vermittelt während der
Gehstunden, wie man respektvoll Autofahrern begegnet, ohne sie zu
gefährden. Die Nachrangigkeit aller Gehwege muss deutlich gemacht
werden.
Auf einem Übungsgelände muss eine
Straße überquert werden, auf der sich Fahrzeugattrappen aller Art
in einem Loop bewegen. Die Geschwindigkeit der Fahrzeuge ist variabel
und wird sanft gesteigert. Der Gehschüler wird so trainiert auf
veränderte Situationen schneller zu reagieren. Die Attrappen sind
gepolstert, um Verletzungen gering zu halten. Sensoren halten
Kollisionen fest und leiten die Daten zu einem zentralen Rechner, der
für jeden Kursteilnehmer ein Konto anlegt.
Fehlverhalten führt zu Punkteabzügen,
bzw. Strafen.
Eine Möglichkeit, Punkteverluste
auszugleichen, könnte darin bestehen, in einer Waschstraße
unentgeltlich Fahrzeuge zu reinigen, um so eine haptische Beziehung
zu motorisierten Fahrzeugen herzustellen, die Aggressionen mindert.
Der Gehschein wird nur befristet
ausgestellt und durch Nachprüfungen verlängert. Bei Anzeichen
zunehmender Aggressivität und trotzigen Fehlverhaltens kann die
Geherlaubnis entzogen werden.
Generell ist für die Teilnehme am
Gehkurs ein psychologisches Gutachten und polizeiliches
Führungszeugnis des Kandidaten vorzuweisen.
Alle Maßnahmen könnten durch das
Versiegen der Rohstoffquellen überflüssig werden.
Aber das will doch niemand.
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