Freitag, 23. März 2012

Außer Spesen nichts, Gehwesen


Der Moralpegel der Gesellschaft spiegelt sich in ihren Medien. 2 Beispiele zur Spiegelung der Verkehrsmoral:

Ich liebe Ursula Schnell, die jeden Dienstag nicht nur schnell ermittelt, sondern auch durch die Stadt rast, neben sich den armen Franitschek, der immer wieder fuchtelnd mit schreckgeweiteten Augen pädagogische Vorstöße wagt: „Sag, bist du deppert?“.
Aus der Perspektive der rasanten Schnell wirken die Geh- oder Radwesen wie Freiwild ohne Identität, Biomasse, die da immer mal wieder im Weg steht, Seiten wechselt und dann meist blöd schaut oder nachfuchtelt. Am Steuer die coole hübsche und intelligente Frau (und Polizistin!) und da draussen: Irgendwas, das zappelt und stört.
Da wechsle ich Gehwesen mal konspirativ die Seite und ärgere mich mit der feschen Kommisarin, verachte und übersehe mit ihr Gehwesen aller Art und finde Spaß an der Jagd auf diese Schwächlinge. Die Art, wie sie ihre Ziele verfolgt, ihre Welt und ihr Tempo machen Gehwesen zu Hindernissen, lästigen Störungen im Strom der Waren und Wichtigkeiten.
In Werner Beinhart ist es der Igel, der bereits beinlos in der Karre über die Straße stakst und jedesmal abgeschossen wird: Bruhaha.

Im Kino läuft derzeit mit prächtigem Erfolg „Ziemlich beste Freunde“, ein Film über die Freundschaft zweier Männer, der eine weiß, reich und gelähmt, der andere schwarz, arm aber topfit.
Ein Pärchen, das unterschiedlicher kaum sein könnte.
Was der Film mit meinem Thema zu tun hat? Am Anfang und Ende steht eine wüste Raserei mit einem Maserati über die dicht befahrene Autobahn, verfolgt von Polizeistreifen. Alles mögliche wird im Film infrage gestellt, vom Wert des Materiellen über die Diskriminierung von Einwanderern, Abgehobenheit der „Leitkultur“ bis zu Fragen der Gerechtigkeit.
Nur eines wird präsentiert als Selbstverständlichkeit, als reinster Ausdruck männlicher Vitalität und Freiheit in einer Welt der Zwänge: Das Herumrasen mit einem Boliden durch den dichtesten Zivilverkehr, pure Lust, blitzendes Männerzahnlachen, 2 Kavaliere, die mal eben ein wenig die Sau raus lassen. Ein Querschnittgelähmter, der seine Behinderung einem Paragleiterunfall und nicht einer Autokarambolage verdankt. Von der Polizei gestellt, gelingt es dem feschen Fahrer den bescheuerten Bullen glaubhaft zu machen, dass es um Leben und Tod geht, eine notwendige Raserei ins Krankenhaus, weil der sonst stirbt. Die endlich überzeugte Polizei eskortiert den Maserati daraufhin ins Spital. Natürlich ist alle Sympathie bei den Schlingeln angelangt.
Dass so eine Raserei, wie durch glaubwürdige Autostunts vermittelt, sicher einige Todesopfer, zahlreiche Schwerverletzte, darunter auch sicherlich Frauen, Kinder, Igel, Hunde, Omas und Opas gefordert hätte, fällt unter den Tisch unschuldiger männlicher automobiler Lebendigkeit, zelebriert auf einem Massakerati.

Dass auch Fahrräder Killer sein können, erfuhr ich neulich, als ich Karl Kraus googelte, um etwas über sein Ableben zu erfahren: Er wurde überfahren, und zwar von einem Radfahrer. An den Folgen des Unfalls verstarb er ein paar Monate nach der Kollision.
Auf diesem Hintergrund erscheint mir ein grundsätzliches Umdenken und eine massive Adaption der Straßenverkehrsordnung notwendig. Nicht der Autofahrer muss mittels Fahrschule seine Qualifikation für das Lenken eines Automobils erbringen (das kann heute jedes Kind ab 3),
der Fußgänger sollte zum Erwerb eines Gehscheins verpflichtet werden.
Das Gehwesen sollte erzogen werden zu Achtsamkeit und Zurückhaltung.
Die Polizei sollte Fußgänger vermehrt kontrollieren, Fehlverhalten bestrafen und die Autofahrer in Ruhe lassen.
Der Grundkurs der Gehschule wird sowohl Theorie als auch Gehpraxis mit einem zertifizierten Gehlehrer beinhalten.
Der Gehlehrer vermittelt während der Gehstunden, wie man respektvoll Autofahrern begegnet, ohne sie zu gefährden. Die Nachrangigkeit aller Gehwege muss deutlich gemacht werden.
Auf einem Übungsgelände muss eine Straße überquert werden, auf der sich Fahrzeugattrappen aller Art in einem Loop bewegen. Die Geschwindigkeit der Fahrzeuge ist variabel und wird sanft gesteigert. Der Gehschüler wird so trainiert auf veränderte Situationen schneller zu reagieren. Die Attrappen sind gepolstert, um Verletzungen gering zu halten. Sensoren halten Kollisionen fest und leiten die Daten zu einem zentralen Rechner, der für jeden Kursteilnehmer ein Konto anlegt.
Fehlverhalten führt zu Punkteabzügen, bzw. Strafen.
Eine Möglichkeit, Punkteverluste auszugleichen, könnte darin bestehen, in einer Waschstraße unentgeltlich Fahrzeuge zu reinigen, um so eine haptische Beziehung zu motorisierten Fahrzeugen herzustellen, die Aggressionen mindert.

Der Gehschein wird nur befristet ausgestellt und durch Nachprüfungen verlängert. Bei Anzeichen zunehmender Aggressivität und trotzigen Fehlverhaltens kann die Geherlaubnis entzogen werden.

Generell ist für die Teilnehme am Gehkurs ein psychologisches Gutachten und polizeiliches Führungszeugnis des Kandidaten vorzuweisen.

Alle Maßnahmen könnten durch das Versiegen der Rohstoffquellen überflüssig werden.
Aber das will doch niemand.

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