Mittwoch, 12. März 2008

Naturgesetzliche Aspekte im öffentlichen Verkehr

Wie das geht? Als beinahe täglich Pendelnder habe ich eine Menge selbst gelernt und an Anderen beobachtet. Einige Aspekte:

Trägheit

Warum setzen sich viele alte Menschen genau in dem Moment, wenn die Bahn anfährt? Durch den zusätzlichen Schub knallen sie recht hart gegen die Bande und verlieren dabei manchmal Seh-, Gehhilfe oder die 3.Zähne.
Das gleiche gilt natürlich für das Aufstehen und das Gehen während der Fahrt. Während der Bremsung vor der Haltestelle gegen die Fahrtrichtung aufzustehen, verlangt unglaubliche Kräfte und lässt die Passagiere, die es dennoch versuchen, wie Käfer wirken, die auf den Rücken gefallen sind und mit ihren Gliedern in der Luft herumstochern. In Fahrtrichtung dagegen wird man von der Trägheit aufgestanden ohne dabei denFinger krumm zu machen.
Oft wird auch die Haltestange genau dann losgelassen, wenn der Wagen beschleunigt. Dann will der Körper eigentlich bleiben, wo er ist, doch die Bahn ist da anderer Meinung. Das führt dazu, daß die Leute oft durch den ganzen Wagen laufen, bis sie von der letzten Bank unsanft auf die Geschwindigkeit der Bahn beschleunigt werden. Also unbedingt Stange halten, bis der erste Schub zu Ende ist.
Durch die Gänge zu gehen, während der Wagen gerade in eine Kurve eiert, kann einen in Sekundenschnelle auf den Schoß eines Menschen befördern, mit dem man normalerweise keinen Körperkontakt anstreben würde. Durch das Vorausschauen läßt sich vorhersagen, in welche Richtung es einen treiben wird, sodaß man sich wie ein Seemann dagegen stemmen kann. Besser noch ist es, das Gehen vor allem in der Wiener Straßenbahn generell zu vermeiden, da die Fahrer einen inoffiziellen Contest fahren, wer seine Gäste am weitesten herumkegelt und wem es gelingt, 9 auf einmal umzuwerfen.

Schwarmverhalten

Wenn an einer Haltestelle, die Türen der eingefahrenen Bahn öffnen, stehn sich 2 Schwärme gegenüber: Die drinnen wollen raus, die draußen wollen rein. Eigentlich kein Problem, zumindest für die primitivsten Fische oder blöden Vögel.
Nicht für den menschlichen Schwarm im öffentlichen Verkehrswesen. Die Tür öffnet sich und die Draußen und die Drinnen stehn sich wie die Fronten verfeindeter Armeen gegenüber und ohne Zeichen eines Feldherren setzen sich die Armeen in Marsch. Da tasten Altarme hinein nach Griffen, da treten energiegeladene Füße nach draußen, schieben sich Schultern vor oder werden Taschen wie Schilde dem Feind entgegengeworfen. Rempelnd und scheppernd tauschen Drinnen und Draußen die Plätze und sind am Ende bitterböse über den Widerstand, der sich ihnen entgegengestellt hat. Fluchend versorgen sie ihre Wunden, richten ihre zerfetzten Klamotten und bereiten sich innerlich auf den nächsten Kampf vor.
Oder bei Ankunft am Südbahnhof, jeden Tag das Gleiche. Recht früh setzt die Wanderung der Lachse zum Ausgang ein und weil es gegen den Strom geht, zahlen sie dabei drauf. Die ersten erwischt es im Weichenbereich, wo der Zug über einige kurze heftige Richtungswechesel zum richtigen Bahnsteig bugsiert wird. Mit ihren Taschen beladen, oft ohne Haltegriff in der Nähe fliegen sie von einer Wagenseite auf die andere, prellen sich die Hüften, stolpern in andere hinein oder machen wieder mal Schoßbekanntschaften. Die es überleben blockieren nun den Ausgang für diejenigen, die vorne sitzen. Denen bleibt nichts anderes übrig als, gleich einem Auto, das auf eine dichtest befahrene Autobahn auffährt, sich schwupp mit Gewalt in winzige Lücken hineinzuwerfen und böse Gesichter und Wörter einzufangen.
Wie einfach wäre das Ganze, wenn alle gleichzeitig dann aufstehen, wenn der Zug steht. Wenn Alle gleichzeitig von ihrem Platz losgehen würden, würde der Zug sich von vorne nach hinten wie ein Stundenglas leeren ohne Feindberührung und ohne Reibung. Probieren Sie es mal aus!
Aber da scheint an irgendeinem Punkt eine Panik sich wellenartig auszubreiten, daß nur die Ersten den Wagen lebend verlassen können, oder geht die Kiste gerade unter, oder werden draußen gratis Wurstsemmeln an die ersten 10 verteilt? Keine Ahnung. Vielleicht ein zutiefst verschüttetes Trauma einer ganzen Kultur: He Leute, auf der Arche gibt es nur noch 3 Plätze, und das Wasser steigt. Die Titanic hat ein paar Rettungsboote zu wenig, beeilt euch.

Energie

So einfach ließe sich Energie sparen, wenn man das Ganze ein wenig im Auge behält und seinen Weg mit den Naturgesetzen abstimmt.
So viel Energie geht bei Reibung verloren mit Entgegenkommenden oder Kreuzenden, beim Vordrängen und beim Sich Ärgern.
Beobachte die Ströme und lass dich mit ihnen treiben, anstatt sich ihnen entgegenzustemmen. Nutze die Energie des Schwarms und lass dich vorwärts stoßen, (nicht gleich auf die Gleise), lass andere vor, damit sie dir eine Schneise schlagen. Geh aus dem Weg, wenn einer bei der Bremsung auf dich zugeflogen kommt aber sei nicht schadenfroh.


Diese Regeln haben eine gewisse Allgemeingültigkeit und ihre Beachtung im Alltag verlängert durchaus das eigene Leben, wenn auch nicht das des Planeten.

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