Leserbrief an den Standard
(gesendet am 6.10. als Userartikel, schwups, weg er, vermutlich im rosa Papierkörbchen)
Adieu mon amour, geliebte Tageszeitung, Begleiterin langer Jahre
Es war Liebe auf den ersten Blick, die mannerhafte Farbe, die Themen, das Fehlen aufgeblähter Stories, die Karrikaturen von Tex Rubinovitz, die klugen Kommentare von Lesern zu brennenden Fragen, die Musikbesprechungen von Schachinger und Fluch (ein nicht unwesentlicher Teil meiner CD-Sammlung verdanke ich ihren Tipps), das Album am Wochenende mit Gartentipps, Buchbesprechungen und (ach so viel mehr, aber lange her)
Dann wurde auch noch der Chefredakteur (Gerfried Sperl) unser Nachbar in der Peripherie der ehemaligen Mühl-Kommune. Er scharte gleich einige Kommunarden um sich, denen das Geführtwerden, die Autorität von Otto Mühl abging.
Einmal, in einer beruflichen Krise bot ich ihm an, TV für den Standard zu produzieren. Seine Antwort damals wurde in meiner Familie zum geflügelten Wort: „Melde mich“. Vielleicht ein erster Riss in der Liebe.
Irgendwann hatte ich wohl in einem Anfall von Heimweh ein Spiegel Online Abo, weil das dann doch mit weniger rosa Papierabfall (den ich gerne als Geschenkpapier verwendete) und mit weniger Herumgefuchtel beim Frühstück verbunden war. Ich hatte auch eine kleine Krise mit der österreichischen Innenpolitik. Die nun fand ich im MOFF ausreichend behandelt.
Außerdem hat der Spiegel tolle Autobesprechungen (Jürgen Pander und Nicko!)
Auch war die Berichterstattung über Österreich zufriedenstellend. Und hin und wieder hatte der Spiegel Artikel, die auf Standardrecherchen zurückgingen.
Um nicht auf das milde Pink verzichten zu müssen, griff ich zur Mannerschnitte.
Wäre ich ein Whistleblower, würde ich beim Versuch, Kontakte zu Medien aufzunehmen bereits im Vorzimmer scheitern.
Im konkreten Fall recherchierte ich zu Bodenversiegelungen um meinen Wohnort Zurndorf herum, besuchte sie und dokumentierte die monströsen Flächen filmisch und fotografisch. Mir war einfach aufgefallen, dass neben unserem jetzigen Betonschatz Nr. 1 des Burgenlandes, dem Zentrallager Lutz, auch in Gattendorf eine Logistik entstanden war, ebenso in Kittsee. Parndorf hatte ja bereits seit längerem seinen Anteil am Gewerbegebiet Neusiedl/Parndorf. Da gibt es bereits den ersten unübersehbaren Leerstand zu bewundern, den man ins wunderschöne Hanifteil hinein aufgeschüttet hatte für einen Sportausrüster aus Skandinavien. Nickelsdorf plante ebenfalls einen Gewerbepark gegenüber dem Lutz Zentrallager. Der Zug war vielerorts bereits abgefahren, aber wenn man nun einmal die gesamte Region des Nordburgenlandes grell beleuchtete, das fast Unsichtbare ans Licht zerrte, wäre doch noch einiges möglich.
Hatten sich hier die Bürgermeister ein Wettrennen geliefert, wer baut schneller, stiller und größer als der andere? Wer profitierte hier? Wurden die Erwartungen hinsichtlich Arbeitsplätzen und Kommunalsteuer erfüllt?
Warum kann man Den Betonschatz Nr. 1, das Lutz Zentrallager auf Google Maps nicht sehen, obwohl es da schon seit 2018 steht? Warum werden meine Fotos nicht hochgeladen, meine Rezension nicht veröffentlicht?
Und jetzt stehen Projekte an, wie das Krankenhaus Gols und Wasserstofffabrik Zurndorf. Es wird argumentiert: In Zurndorf hat es doch auch funktioniert. (direkt angrenzend an ein Naturschutzgebiet).
Eine Telefonistin meldete sich schließlich beim Standard. Sie konnte mich verstehen, meine Verzweiflung, keinen Redakteur mehr persönlich erreichen zu können, meinte, ich solle es mal beim für das Burgenland zuständigen Sebastian Fellner versuchen, es seien grundsätzlich alle überlastet und ja, schade.
So versah ich den Herrn Fellner mit Informationen, später auch mit meiner Presseerklärung, die ich zusammengestellt hatte für meine geführte Schatzsuche, die Suche nach dem Betonschatz Nr.1 des Burgenlandes. Einmal konnte ich mit ihm kurz telefonieren, ein mageres Vergnügen eines mäßig engagierten Journalisten. Der schrieb lieber darüber, wie schön es früher am Neusiedler See war ohne den Massentourismus. Wehmütig kramte er in seinen Erinnerungen.
In meiner Enttäuschung kam ich dann noch auf die irrwitzige Idee, meinen „Ex-Nachbarn“ Sperl auf seiner „Insel“ da draußen zu kontaktieren, aber da stieß ich auch nur auf eine Telefonnummer, die mich traurig anschwieg.
Ähnliche Erfahrungen machte ich mit dem Falter, von dem ich mir am meisten erwartet hatte. Da meldete sich lediglich eine Podcasterin. Meine Aktion (Die Schatzsuche) hätte super zu ihrem Thema gepasst, aber leider müsse sie an dem Tag zu einem Radrennen (immerhin als Teilnehmerin). Ob ich die Aktion nicht zu einem anderen Termin wiederholen könnte.
Hm, klar, ist ja kein Aufwand. Die haben Nerven. Das war es dann auch mit dem Falter, auf den einige aus meinem Bekanntenkreis schwören.
Am schlimmsten empfand ich die Erfahrung in einen dunklen Wald zu rufen ohne das geringste Echo. Was sollen die Medien dann überhaupt noch, wenn sie kein Postfach mehr haben, keine Kontaktmöglichkeiten zu Redaktionen anbieten?
Weitaus bessere Erfahrungen machte ich mit dem BVZ und der burgenländischen Krone, sowohl mit deren Journalisten, die einfach so mal bei mir anriefen, die mich neugierig ausfragten, und deren Fotografen kooperativ und freundlich die Schatzsuche dokumentierten, obwohl es einen Tag vor der Nationalratswahl war.
Diese Medien hatte ich bisher weniger ernst genommen, wenig gelesen, weil da gibt es doch den Qualitätsjournalismus. Ein wenig ratlos bleibe ich zurück mit meinen neuen Pressefreunden, deren einer sich auch weiterhin für mein Anliegen interessiert und ich frage mich, ob dieser Leserbrief jemals im „Schloss“ ankommen wird, angeschaut wird, quergelesen und in einen feschen rosa Papierkorb wandert für wunderliches Allerlei?
Für den Fall finde ich vielleicht auch einen anderen Abnehmer für meinen Aufschrei.
Krone? Kurier? Oh, Presse hatte ich vergessen.
P.S.: Der Standard bietet die Möglichkeit, Userartikel hochzuladen. Dazu gibt es eine Art Volkshochschulkurs über das Artikelschreiben. Warum nicht gleich eine KI dransetzen, die kuschelige Leserbriefe verfasst, die dem liberalen, urrosa Blatt nicht AUA machen?