Freitag, 15. Juni 2012

The Sound of Silence

Das Grundgeräusch, das kosmische Hintergrundrauschen der Stadt hat eine Hauptquelle und das ist der motorisierte Verkehr. Er brüllt rund um die Uhr, in der Nacht um ein paar kaum gefühlte Dezibel weniger als am Tag.
Vermutlich wurde im gesamten Stadtgebiet versehentlich Brüllasphalt verlegt.
In diesen Sound mischen sich überraschenderweise ein paar Singvögel, deren Existenz ich bisher angezweifelt hatte.
Verlässt man die Straßenebene nach unten, verstummt das Automobile und macht dem eisernen Geschrei der Subway Platz. Das rattert, rumpelt, quietscht dicht an der Schmerzgrenze. Wenn der Zug steht, ächzt er noch ein wenig nach und öffnet dann zischend seine Pforten. Es gibt 2 Arten von Zügen, den Express und den Lokalen. An vielen Stationen halten nur die locals. Da gibt es  Mittelspuren für die express trains, durch Säulen abgetrennt. Wenn ein express train durch die Station donnert, beginnt dies im unhörbaren Rumpelbereich, d.h. der Magen ist das Ohr. Das steigert sich recht schnell zu einem orgiastischen Höhepunkt, wenn das eiserne Geschrei, von den Säulen zerhackt, die ganze Station zum Erbeben bringt, und dann wird es wieder ruhig, so ruhig, dass man miteinander sprechen könnte, wäre man nicht mit Lesen, iphone-Gefummel oder Kaffeetrinken beschäftigt.
Wir erhöhen die Anzahl der täglich Transportierten auf 4,5 Millionen+2.
Das Subwaybrüllen dringt übrigens durch die Luftschächte nach draußen, vermählt sich mit dem Autogebrüll und erreicht unsere Fenster im 15. Stockwerk. Einmal dringen auch deutlich die Bässe eines nächtlich cruisenden Hiphop-Fans überlaut in diese Höhen. Entweder wurde er dabei für den Rest seines Lebens taub oder er war es schon.
Ein weiteres Hörerlebnis sind Brücken. Wir genießen den brutalen Heavymetalsound der Williamsburg Bridge direkt unterhalb am Ufer des East River. Auch da ein Mix zwischen Subway und Autos. Das Besondere am Brückensound sind die Fugen. Wer lange übt, könnte am Geräusch erkennen, welcher Reifen da gerade von der Fuge seinen Schlag erhält und antwortet.
Die Spitzen dieser Kakophonie werden zuverlässig behauptet von den nervigsten Sirenen weltweit von Ambulance, Police oder Firefighters, die gerade eine Katze von der Fensterbank im 18. Stockwerk retten.
Die Parks werden wiederum belagert von den Straßen und es ist ein Hochgenuss, zu erleben, wie deren Lärmpegel bei jedem Meter schwindet bis zu einem entfernten Rauschen. Und dann erst hört man wieder die Lebewesen der Stadt, erst die Kinder, dann die Vögel und dann das sanfte Geplätscher plaudernder Flaneure. Hin und wieder sind die Kopfhörer eines Joggers so laut eingestellt, dass man ein wenig mithören kann.
Und da ist er endlich, der Sound of Silence:

Mittwoch, 13. Juni 2012

USA today

Eine wichtige Komponente, wenn man wirklich eintauchen will in die Welt der Amerikaner ist, morgens USA today zu lesen. Heute ging es beispielsweise um "bullies" . Das meint: Schikanieren über Internet. Das führte im aktuellen Fall zum Selbstmord eines Teenagers. Er war sich seiner sexuellen Orientierung nicht sicher und wollte ein Mädchen werden. Die Gewaltbereitschaft der Straße setzt sich im Internet fort und soll auch da bekämpft werden.
Außerdem sollen Frauen nach der Menopause doch nicht soviel Vitamin D mit Kalzium futtern, um die Knochen zu erhalten und Darmkrebs zu verhindern. So gut waren die Studien doch nicht, die das so empfahlen. Also raus mit den Riesenvorratskübeln an Vitamin D aus den Hausapotheken.

Eine weitere Komponente ist das Frühstücksfernsehen. Über uns plärrt ein Flatscreen in die Hotellobby. Weil der Frühstücksraum völlig überlastet ist, sitzen wir unter der Glotze und ich gebe mir ein wenig Vitamin TV (CNN).
Da wollen die Republikaner einen semantischen Angriff auf den Begriff "climate change" starten, indem sie ihn einfach streichen und die Dinge vom großen Zusammenhang abschnippeln, indem sie "permanent flooding" sagen. Dann ist es halt immer wieder mal glühend heiß, es gibt entsetzliche Un wetter, Dauertornados, Riesenhagel, Monsterstürme, Dauerregen, Hitzewelle an Weihnachten aber das Klima ist eigentlich o.k.
Netter Versuch.


Montag, 11. Juni 2012

Halbzeit

Wir leben noch!
Gestern wurde der bisherige Kälterekord (by air conditioning) gebrochen. Den hielt der Lebensmittelladen in der Nähe der Studentenbude mit gefühlten 15 Grad in der Frischabteilung.
Die Subway unterbot das locker mit gefühlten 11 Grad im D-Wagen.

Wir hatten fast den ganzen Tag am Strand von Coney Island gegammelt und uns von Sonne und Meer verwöhnen lassen. Diesmal war es auch wirklich voll. Es war der erste offizielle Badetag des Sommers. Meine größte Sorge ist immer, dass sich jemand mit riesigem Ghettoblaster neben uns einrichtet und dann mit seinen Bässen mein Großhirn weichprügelt. Tatsächlich gab es um uns eine Menge solcher Geräte, die jedoch mit ihrem breit gefächerten Musikangebot ein wenig im Grundpegel untergingen.
Die Polizei ist immer präsent, entweder in 2er Patrouillen oder mit kleinen lustigen Strandbuggies, mit denen sie den Leuten über die Füße fahren. Das ist einerseits gewöhnungsbedürftig, auf der anderen Seite kommen eventuell vorhandene Hoodrats gar nicht erst auf dumme Ideen und so geht es recht friedlich zu, wenn sich alle Völker der Erde an diesem mächtigen Strand mischen.
Jutta haben es die Puerto Ricaner besonders angetan, die wohl irgendein Fest feiern und mit Liveband auf der Promenade abtanzen. Viele tragen Fahnen und alle strotzen vor Lebenslust. Dagegen schaut der weiße Durchschnittsami verdammt blass aus. So, als hätte ihn die Eroberung des Kontinents völlig ausgelaugt.

Ich mache mich mal auf die Sandalen zum Lunapark, um dort mein gefährlichstes Blähbäck-Video zu drehen:


Nach der Bearbeitung (Ausschnitt):



Sonntag, 10. Juni 2012

Rudern

Urlaub fängt an, wenn man alle Vorhaben über Bord schmeißt und sich treiben lässt.
Dieser Zustand ist ideal und ich kann mich nur annähern mit dem Ruderboot. Ich miete eines im Central Parc Boathouse und berudere damit gar nicht mal so ungeschickt, als hätte ich Seefahrer im Stammbaum, den Lake. Der ist wunderbar verwinkelt mit Brücken und kleinen Inseln . An stillen Uferecken gibt es zahlreiche Schildkröten und seltsame Vögel. Die Schildkröten liegen auf dem Felsen und machen Yoga.
Nur meine Tochter wagt es, bei mir einzusteigen, und wir drehen noch eine Runde, während ein zarter Regen herunternieselt und asiatische Paare Verlobungsfotos im Brautkleid schießen.
Am Nachmittag noch eine Pediküre (ich bin der einzige männliche Kunde) und dann das Match Nr.7 der Finals: Boston Celtics gegen Miami Heat.
Ein Schlachtfest und wirklich ein Urlaubstag.
Leider schmerzt der Hintern von der eisernen Ruderbank.
Central Park Boathouse


Samstag, 9. Juni 2012

Occupy ?

Mittags treffen wir uns mit unserer Tochter, die in der Nähe der Wall Street jobbt. Wir gehen dann zusammen essen. Im Zuccotti Parc, gleich gegenüber, begann die Occupybewegung. Davon ist nur noch wenig geblieben. Ein Aktivist sitzt an seinem Stand mit einer Sammeldose und ein paar Plakaten. er trägt einen Button mit der Aufschrift: "Hi, I'm God". Das mag wohl sein, zumindest kann ihm niemand das Gegenteil beweisen. Hin und wieder kommt es zu Diskussionen mit Passanten, doch Gott bleibt gelassen und hat auch die Wallstreet noch nicht mit einem sengenden Bltzschlag von der Erde gefegt.


Wenn  er so weitermacht, wird er noch vom Börsenstier gehandelt und aufgespießt.

Baseball

Wir sehen ein Spiel der New York Yankees gegen Tampa Bay im Stadion der Yankees. Die Anfahrt zieht sich von der Wall Street ganz im Süden bis in die Bronx, natürlich mit der Subway. Als nach langem Dunkel die Sonne mit gleißendem Licht in den Wagen bricht, atmen alle auf, als wäre es ein Ende der Polarnacht. Es hatte geregnet und es erwartet uns wieder einmal ein prächtiger Regenbogen und eine frisch gewaschene Stadt. In mächtigen Strömen pulst die Menge in Richtung des kolossalen Stadions, immer wieder mal im Fluss gestört durch Veteranen, die auf ihren Rollstühlen unterwegs sind, den Sammelbecher in der Hand, die Beine irgendwo im Irak oder in Vietnam.

Es ist eine mächtige Kathedrale. Unsere billigen Plätze sind ganz oben, dafür überdacht. Eine riesige Videowand zeigt Werbung und informiert über das Spiel. Baseball gehört zu den langweiligsten Sportarten der Erde und so werfen die Ameisen unten Bälle, die ein Schläger treffen sollte, damit sie nicht gefangen werden. Die Ameisen wechseln nach 3 Bällen. Das Spiel besteht aus 7 Innings und die Yankees schauen gar nicht gut aus. Die Dimensionen sind so gigantisch, als würde man von einem hohen Berg in eine tiefe Schlucht hinabschauen. Immer wieder pickt sich die Kamera Leute aus dem Publikum, die dann losschreien, wenn sie sich auf der Riesenwand sehen. Von der tierischen Fanstimmung in Fußballstadien ist das meilenweit entfernt. Noch bevor die Yankees mit 7 zu 1 in die Wüste geschickt werden, verlassen wir das Stadion und treten die über einstündige Subway-Odyssee nach Brooklyn in unser Hotel an. Ich lese mein Buch hauptsächlich auf diesen Fahrten und werde bald damit fertig sein. Es ist ein Thriller von Neal Stephenson: Cobweb und ich lese ihn im Original. Das macht fit.

Donnerstag, 7. Juni 2012

Wortschatz erweitern

Hoodrats

sind Burschen aus finsteren Gegenden, denen es an allem mangelt außer an Selbstbewusstsein.
Grundausstattung: Kapperl, Hoodie und tiefergehängte Hosen (= Baggypants). Dazu I phone, I pot und gewaltige Kopfhörer.
Stolz kämpfen sie sich durch den Dschungel ihrer Umgebung und haben keine Berührungsängste mit Waffen, Drogen und Gewalt.

Da sie das nicht alleine schaffen, sammeln sie sich ein Gefolge an. Das sind dann ihre
Homies


Ganz anderer Natur ist der
Treehugger

Er will mit allen Mitteln die Welt, die Natur, bedrohte wie bedrohliche Arten schützen und wirft sich, um dies zu tun mit seinem Körper zwischen die menschlichen Attacken und deren Ziele. Sein Gewand ist aus Naturfaser und mindestens aus zweiter Hand, seine Taschen recycelt oder recycelbar. Er selbst, mitsamt seinen Mobilien und Immobilien ebenso. Seine Informationen bezieht er aus baumwollenen Netzwerken und Eingebungen. Er weiss, dass alle Medien gekauft sind und die Botschaft Satans verbreiten. Er muss nicht religiös sein, kann aber eventuell Einrad fahren oder jonglieren. Wenn er einem Wal begegnet, rettet er ihn durch von Mund zu Mundbeatmung und Herzmassage. Nie würde er einen Delphin reiten oder eine Legebatterie aufladen.
Alkohol und Drogen lehnt er ab, es sei denn sie entstehen aus natürlichen Gärungsvorgängen.
Er liebt den Duft eines Bioladens und riecht selbst ähnlich.
Mit der Beziehungsfähigkeit ist es so eine Sache. Deshalb zieht es ihn auch zu Pflanzen, die ihn körperlich anziehen. Und so wird er zum Treehugger, deutsch: Baumumarmer.















Wiederholung aus dem letzten Jahr:

Geezer

ist so etwas wie ein alter Knacker oder alter Furz (Fart). In der Subway, in der wir uns während unseres Stadturlaubs (nach dem Bett) die meiste Zeit aufhalten, sprechen Jutta und ich deutsch. Manchmal flechten wir einfach ein lautes "old geezers" ein, worauf sich einige Köpfe ruckhaft umschauen mit einem gewissen nervösen Ausdruck. Das sind dann immer die runzeligen Köpfe von "geezers".

Mittwoch, 6. Juni 2012

Auf die Schnelle



Grand Central auf die Schnelle
und die National Library auf die Gemütliche.
Beide prächtig, einmal Hektik beim Menschentransport und dann die Stille, die aus vielen lesenden Menschen tönt.
Nicht weit voneinander entfernt und durchaus hilfreich, wenn es im Juni schüttet und kalt ist.



Eigentlich war Moma geplant. Doch die Schlange davor war nicht nur endlos, sondern auch beregnet und beschirmt.

Montag, 4. Juni 2012

Gewinnspiel



Auf diesem Bild sieht man in der Mitte ganz winzig die Dame, die den Vereinigten Staaten Freiheit versprach und heute Mühe hat, dieses Versprechen zu halten. Unser Hotel liegt praktisch da, wo sie hinschaut.


Die Frage lautet: Wo liegt unser Hotel?

Der Standort ist mit ein bisschen Trigonometrie und Google Maps leicht zu ermitteln. Wer dem Ort am nächsten kommt, erhält als Preis die Überraschungstüte aus Brooklyn.
Viel Spaß beim Tüfteln. Ich mach lieber Urlaub.

Gestern hatten wir es mit Nackten zu tun.
Coney Island in der Früh, und das heisst wirklich früh, weil wir um 5 wachwerden. Der Strand liegt prächtig und fast leer zu unseren Füßen nach einer Anreise mit der N durch abblätternde, grindige Stationen.
2 Mädchen gehen mit Klamotten in die Brandung. Die Sonne scheint vom blitzeblauen Himmel, der Wind pustet frisch von irgendwo. Ein Mann hüpft lachend im flachen Wasser. Als er aufsteht, sehe ich, dass er keine Badehose trägt. Er nähert sich den Mädchen, die das Wasser fluchtartig verlassen.
Viele Russen hier. Bevor wir wieder verschwinden, trinken wir einen Espresso in einem russischen Café. Eine Frau aus Usbekistan, die kaum ein Wort amerikanisch spricht, bedient uns.
Auf der Fahrt nach Manhattan Morningside Heights (Studentenbude), müssen wir am Times Square umsteigen. Vor uns entblößt sich ein gewaltiger schwarzer Hintern, senkt sich nieder und ergießt einen kräftigen Strahl Urin an die Wand der Station. Ein Fall von Emergency?
Heute kaufe ich alleine ein für eine Lasagne. Die vielen Kühlregale lassen mich fast erfrieren, während ich mich durch die Logik des Ladens kämpfe. Das Hackfleisch finde ich schlussendlich in einem Geheimgang, den man nur erreicht, wenn man den Quantensprung beherrscht.
Während des Essens geht ein Unwetter nieder und beschert uns nach Donner und Blitz einen wunderschönen Regenbogen, genau über der Kathedrale. So ziert Gott seine Häuser.




Sonntag, 3. Juni 2012

Zu Fuß nach Manhattan

Hotelfrühstück: Warum sind die hier alle so schwer, obwohl sie alles nur als light-Version essen?

Wir gehen zu Fuß vom Hotel in Brooklyn, Prospect Park nach Manhattan über Brooklyn Bridge. Unterwegs verliere ich ein wenig die Orientierung. Sobald man etwas fragend in der Gegend herumschaut, wird man angesprochen, ob man Hilfe braucht.
Ein sehr freundlicher Schwarzer mit seinem Sohn. Er glaubt uns fast nicht, dass wir unser Ziel zu Fuß erreichen wollen, "really?"
Eigentlich sind das nur so um die 7 km. Für uns nicht der Rede wert, für einen Amerikaner die Reise zum Mond.
Die Schnellbahntrasse über uns ist under construction. Eingepackt in düstere Folien, stecken ihre Betonbeine in der Stadt. Winzige Arbeiterameisen versuchen diese Stadt und ihre rostige, wacklige, chaotische Infrastruktur mit Tixo zusammenzuhalten. Bis jetzt hält es.
Versteckt zwischen den Baustellen, Ansammlungen von Körperteilen.






Das eigentliche Tagwerk wartet in Mornigside Heights, Manhattan auf mich: In der Studentenküche im 15. Stockwerk Kartoffelpuffer backen. Dazu Obst, Salate und natürlich Apfelmus. Die Studenten und ihre Bewunderer wird es freuen. Ich belohne mich mit einem Glas Rotwein auf der winzigen Terrasse, halte das Glas aber gut fest und genieße den Augenblick.

Samstag, 2. Juni 2012

Immigration

Wir sind in New York angekommen nach flotten 8 Stunden Flug. Ich habe beschlossen, zu dieser Reise nicht öffentlich zu bloggen, Man wird zu einem Reporterwesen, das alle Erlebnisse auf Blogtüchtigkeit abbürstet und sitzt ständig wie ein Idiot mit dem Schlepptop herum, wenn andere Espresso schlürfen und auf ihrem i phone rumdiddeln.
Naja, eigentlich auch nicht besser.
Aber die, die einfach nur dasitzen und schauen und den Ort ganz für sich einsaugen, ohne das gleich der ganzen Community stecken zu müssen, die haben es mir angetan.
Also schreib ich jetzt nur noch kurz, dass die Einreiseprozedur fast 3 Stunden gedauert hat, die Taxifahrt über heillos verstopfte Straßen nochmal über eine Stunde.
Aber all das verliert seinen Schrecken, wenn man von einer strahlenden Tochter abgeholt wird und im Hotel 2 King Size Megabetten warten.
Oh wie schön der Blick aus dem 10. Stockwerk Richtung Brücke nach Staten Island, deren Spitzen im grauen Gewölk des frühen Morgens verschwimmen.