Sonntag, 11. November 2012

Vor der OP

Es gibt Regeln. Ich frage den Arzt, der morgens zur Visite kommt, ob ich noch mal Ausgang bekomme.
Eher nicht üblich, meint er. Ich könnte unter ein Auto laufen.
Und ein Restaurantbesuch könnte zu Durchfall oder anderen Unannehmlichkeiten führen.
Ich folge dem guten Rat, was sonst?
Hoffentlich stürzt kein Flugzeug ins AKH.
Und hoffentlich läuft kein Patient Amok.

Donnerstag, 8. November 2012

Der Herzschubs

Hoch oben, auf der 20. Ebene im AKH Wien warte ich auf eine OP.
Dabei hatte ich das Vergnügen, Aladin Basic kennen zu lernen. Er kommt aus Prijedor in Bosnien. Er ist Waise und mittlerweile 17 Jahre alt.
Er hat eine Herztransplantation hinter sich und ist ein sympathischer, witziger, hellwacher Junge.
Stolz zeigt er mir ein Trikot der bosnischen Fußball-Nationalmannschaft mit den Unterschriften aller Spieler.
Dann darf er zum ersten Mal wieder unter die Dusche und kommt fast nicht mehr raus vor Vergnügen.
Die OP wurde ausschließlich aus Spendengeldern finanziert. Anita, Malerin und aus der gleichen Stadt wie Aladin, managt vor Ort alles für ihn. Ich bin zutiefst beeindruckt und habe diese fröhliche Gesellschaft sehr genossen. Heute wurde Aladin nach einem halben Jahr Krankenhaus entlassen und ich wünsche mir, dass das alles eine Chance für ihn ist.
Anita, die Malerin, klärt mich auf, wie nach der OP, bei der ja das Herz ruhiggestellt und der Patient durch die Herz-Lungenmaschine am Leben gehalten wird, das Herz wieder geweckt wurde. Ich bin überrascht. Es wurde mit dem Finger angeschubst.
Was für ein Moment.

Homepage von Anita:
http://www.anitazecic.com/
Aladin:
http://translate.google.com/translate?hl=de&sl=hr&tl=de&u=http%3A%2F%2Fpuharska.net%2Faladin%2Ftransplatacija.html&anno=2

Nach etlichen Fachgesprächen erfahre ich, dass der Schubs nicht immer seinen Auftritt hat.
Das Herz beginnt spontan wieder mit der Pumperei, wenn die Gefäßklemmen weg kommen.
Ist doch auch schön, dass man das allein schafft.

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Zur Verurteilung der Erdbebenforscher

Alle Wissenschaftler weltweit werden verklagt wegen Verharmlosung.
Sie wissen es alle und haben nicht gewarnt vor den Risiken von
fast allem.

Wo ihr zu Hause seid

"Bei mir sads alle im Oarsch daham,
im Oarsch dort is eicher Adress
Bei mir sads alle im Oarsch daham,
und I bin dem Oarsch sei Abszess."

Wunderbare Erwiderung auf alle möglichen täglichen Anwürfe.
Allein dafür hat es sich gelohnt, nach Österreich zu ziehen.

http://www.youtube.com/watch?v=eDuvpNkAKiw

Mittwoch, 17. Oktober 2012

B I L D

"for my chauffeurs"

"trust yourself"




"auch nur ein mensch"


"Terror"

Heimlicher Star unter den Sprayern, zwischen Atzgersdorf und Hauptbahnhof. Wie er wohl heißen mag, was er so tut und wohin es ihn wohl noch treibt?

Tags "Bild" "Lid" "ich" (?)

Samstag, 11. August 2012

Immer wenn ich in Saarbrücken bin,

regrediere ich und fühle meine Kindheit.  Doch dies ist das erste Mal, dass ich dabei tatsächlich körperliche Veränderungen bemerke. Ich hoffe, das geht wieder weg!

Sonntag, 15. Juli 2012

FJK

12. bis 14. Juli

Um halb 6 aufgewacht. Eine Schwester begrüßt uns mit „Guten Morgen“ . Wir sind 3. Ich bekam das Bett in der Mitte zwischen 2 Herren, die um einiges älter sind. Wir liegen auf H 31. H steht für Herz und ist eines der noch nicht runderneuerten Gebäude des Kaiser Franz Joseph Krankenhauses.
Es war sicher einmal ein wahres Prachtstück vor guten hundert Jahren großzügig angelegt mit Grünanlagen, einer von etlichen Pavillions.
Die Aufnahme war reibungslos verlaufen. Ich kam direkt von der Arbeit und die Schwester war sauer, weil ich so spät (aber genehmigt und angekündigt) kam. Eines der zahlreichen Kommunikationsprobleme. 

Heute regnet es und ich warte auf meine Herzkatheteruntersuchung. Ich hatte eine Voruntersuchung und erste Visite von 2 Ärzten bereits gestern nach meiner Aufnahme am Abend. 
Die beiden sind sehr jung, bemühen sich aber nach besten Kräften um einen souveränen Auftritt, eine feste investigative Stimme und die in Jahrtausenden gehegte Autorität des Medizinmannes. Das alles soll auch zu einem gediegenen Einkommen in absehbarer Zeit beitragen, incl. flottem Flitzer, Motoryacht und hipper Hütte.
Ich habe immer das Gefühl, dass die gleich schneiden wollen, aufmachen, Kontrolle über meine Organe. Noch nie kam die Frage: Was möchten Sie hier?
Ich möchte nämlich nicht operiert werden. Ich suche nach einer Medizin, die mich in meinem Wunsch unterstützt, mit meiner außergewöhnlichen (ich vermeide bewusst den Begriff „degeneriert“) Aortenklappe das Leben zu genießen.
Dafür verzichte ich gerne auf Höchstleistungen, die eine Zigarette am Abend und gehe auch gerne beruflich alles etwas ruhiger an. Natürlich sollte ich auch Infektionen vermeiden.
Einer der Ärzte sagte, Schwarzenegger hätte ebenfalls eine zusammengewachsene Herzklappe gehabt. Er hätte zuerst eine Schweineklappe einsetzen lassen, danach eine aus Metall. Und der Mann schaut doch prächtig aus. Das macht Mut. Aber ich möchte ja nicht operiert werden.
Ich möchte immer auf dem selben Wissensstand sein wie meine behandelnden oder untersuchenden Ärzte und mir eine Meinung bilden. Das allein ist schon krank.
Ich suche außerdem den Mediziner meines Vertrauens, einen, der zumindest den Anschein erweckt, dass er sich a) für mich und/oder b) für sein Fach, sprich meinen Fall interessiert.
Meine Herzklappe ist nämlich etwas besonderes und verdient Zuwendung und Interesse. Sollte ich den/die Supermediziner/in finden, werde ich mich und meine Herzklappe, falls erforderlich in seine/ihre Hände legen.
Ich soll noch zum Lungenröntgen. Können Sie gehen? Was sonst, denke ich, oder bedeutet der Aufenthalt in einem Spital, dass man die Gehfähigkeit abgibt? Und so werde ich telefonisch angekündigt als "gehender Patient". Nach dem begangenen Röntgen, melde ich mich auf meiner Station ab und benutze meine Beine, um als gehender Patient mit einer ersten Nadel im Arm das nahegelegene Kinozentrum aufzusuchen. Mein Bettnachbar ist neidisch, weil er an der Flasche hängt und nicht mit kann. Bis elf ist die Station offen, dann muss man klingeln. Der Arzt meint, früher hätte man dem Portier ein Trinkgeld gegeben, wenn man spät kam, ich solle schon mal einen Hunderter mitnehmen. Ist ja geschenkt.
Ich wähle Ice Age 4, weil ich es für die Psyche eines Spitalspatienten für aufbauender erachte als eine Tschernobyl-Doku.

Derweil werde ich mitsamt Bett durchs Haus geschoben, in ein Fahrzeug verladen und nach Kathederland verfrachtet. Da sind alle entspannt und ich werde zu jeder Zeit tadellos informiert, was da gerade gestochen, gespritzt, ein- und ausgeführt, rasiert, geschmiert oder geröntgt wird. Auf dem Monitor kann ich ein wenig mitverfolgen, wie so ein Fädchen sich in meiner Brust ringelt.
Ich kann ganz zart den Weg des Drahtes durch den Arm spüren, dann nicht mehr. Erkennen kann ich nichts, werde aber informiert, dass der heftige Strom meiner wuchtigen Klappe die Kamera immer wieder wegpustet, sodass kein Bild zustande kommt.
Deshalb muss nach etlichen Versuchen doch der Weg durch die Leiste gestochen werden, worüber ich mich nicht wirklich freue. Der Arzt meint, die ganzen Drähtchen wären optimiert für diesen Weg, weil es der traditionelle und erste Weg war.

Inzwischen fühlt sich mein Daumen etwas taub an und ich nutze das Vorhandensein einer Harnflasche, um dem kräftigen Drang des Kontrastmittels nachzugeben. Tut das gut. Endlich gelingt das Klappenshooting und ich werde erlöst. Mit Druckverbänden und Pflastern reise ich wieder per Bett zurück in meine Station. Erfrischende Regentropfen begrüßen mich. Oh, wie dankbar bin ich, dass die Hitzewelle ein Ende hat.

Vor dem Mittagessen erlebe ich meine erste Visite. Der Stationsarzt brüllt Anweisungen, Fragen, Antworten, Vorwürfe so laut, dass ich bereits über das Nachbarzimmer Bescheid weiß. Der Voraustrupp ist bereits im Zimmer. Zettelfuchtelnd folgt der Stationsarzt. Wem auch immer teilt er lautstark mit, dass er seit 80 Stunden im Dienst ist. Er wird sich doch nicht bei den Patienten ausheulen? Die Botschaft für uns 3 kommt an: Lasst den Mann bloß in Ruhe, nicht widersprechen, am besten überhaupt nicht sprechen oder vorsichtig bestätigen. Bei meinem Nachbarn geht es um einen Sturz in der Nacht, bei mir eigentlich um nichts, ausser dass ich angeblich nach Bad Homburg will zur Rekonstruktion, also einer der sich selber managt. Okay für ihn, eventuell ein wenig beleidigend für den medizinischen Standort Österreich, aber er lässt es nicht spüren und verspricht mir einen Arztbrief hoffentlich nicht für Bad Homburg, denn Homburg liegt im Saarland und ist Bad-los. Egal, ich bin durch.
Der arme S. kommt dann voll dran. Er ist sauer, weil es ihm um eine Herzklappe geht und er eine Darmspiegelung hatte. Tja, da sind halt noch ein paar Voruntersuchungen nötig, haben wir Probleme damit? 
Herr S. Grummelt.
Sagen Sie was
S. grummelt; basst scho.
Scheinbar nicht.
S. grummelt noch mehrmals ohne was zu sagen, bis er schließlich doch noch zum Ausdruck bringt, dass er das Gefühl hat, dass nix weiter geht.
Sie müssen sich auch gar nicht operieren lassen.
S. findet alles okay. Stationsarzt doch nicht explodiert nach 80-Stunden-Schicht.
Und schon sind alle weg und der Essenstransport fährt vor. Das ist unter den gegebenen Umständen das Highlight des Tages und hinterlässt drei wortlos sich vollstopfende Visitierte.
Richtig glücklich bin ich dann, als mich meine Frau besucht.
Man informiert mich, dass ich morgen nach der Visite aus-checken kann.
So nach und nach werden die Verbände entfernt und enthüllen 2 winzige, schön verheilte Eintrittswunden.
Die Nächte sind hart. Ich liege zwischen Schnarchbär und Rumpelstilzchen und im Nebenzimmer, einem Einzelzimmer residiert das Krokodil. Noch niemand hat es gesehen, jeder hat es gehört. Wer den Drachen Dagobert aus Kasperl kennt, sollte sich die dreifache Lautstärke vorstellen, dazu weniger Verständlichkeit und mehr Gejammer. Das Krokodil hat ausgedehnte Brüllphasen, gegen die wir uns durch sofortiges Verschließen der Flurtür zur Wehr setzen. Viel mehr kann man nicht tun, es sei denn man hat Ohrstöpsel oder Kopfhörer im Gepäck.
Nachdem meine Verbände entfernt und die Eintrittswunden gut verheilt sind, spaziere ich durchs Haus. Im Treppenhaus gibt es eine Fotoausstellung vielleicht von einem hobbyversessenen Primararzt, der sich so von den Niederungen stöhnender Krokodile erholt. Es geht um Delphine und andere Meerestiere. In originellen, qualitativ beachtlichen Fotomontagen schwimmen Fischschwärme durch die Wüste. Das Bild heißt in etwa „Clownfischfamilie auf Urlaub“.
Angekündigt werden neue Fotos im September. Schade, bin schon weg, denke ich, bis mein Blick auf die Jahreszahl fällt: 2007, das Jahr des Delphins.

Mein Liebling im Treppenhaus ist ein betagter Aufzug, dessen Besonderheit ist, dass er immer funktioniert und die Tür automatisch aufschwingt. Ich benötige 3 Fahrten, um endlich zu begreifen, dass ich die Finger von der Tür lassen muss. Dann sind wir dicke Freunde und ich beobachte ergriffen, wie dieses vorsintflutliche Teil gemächlich, aber verlässlich eine innere Falttür öffnet und dann mit Klick und Klack die äußere beige lackierte Tür öffnet. Man muss einfach nur Knöpfchen drücken und abwarten.

Im Keller stehen 2 Getränkeautomaten, einer davon für diverse Kaffeespezialitäten. Leider ist mir alles Kleingeld abhanden gekommen, sodass ich mich verzweifelt nach einer Wechselmöglichkeit umsehe. Da kommt ein kräftig gebauter Mann und bietet mir Hilfe an. Er kann zwar nicht wechseln, dafür spendiert er mir einen Kaffee, ist doch klar. Er ist türkischstämmig, d.h. wie ich migrationshintergründig. Seine Familie ist riesig, dreistellige Zahlen, und wächst rasant. Ich rechne hoch, dass sie innerhalb der nächsten 20 Jahre die Mehrheit in Österreich und Deutschland ausmachen könnte. Er sieht super aus und arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Techniker für das Krankenhaus. Außerdem ist er ein netter Typ.
Gerade erhalte ich den Arztbrief und nun trennt mich nur noch eine Nadel in meiner Vene vom Abflug. Als die Schwester kommt, fragen wir sie nach dem Krokodil im Nebenzimmer. Vorher war mir schon aufgefallen, dass die Schwestern öfter kicherten, wenn sie den Mann behandelten.
Sie meinte, er wäre lustig. Manchmal würde er weinen und singen. Er kommt schon seit Jahren, wegen Krankheit, meint sie kryptisch.  

Freitag, 15. Juni 2012

The Sound of Silence

Das Grundgeräusch, das kosmische Hintergrundrauschen der Stadt hat eine Hauptquelle und das ist der motorisierte Verkehr. Er brüllt rund um die Uhr, in der Nacht um ein paar kaum gefühlte Dezibel weniger als am Tag.
Vermutlich wurde im gesamten Stadtgebiet versehentlich Brüllasphalt verlegt.
In diesen Sound mischen sich überraschenderweise ein paar Singvögel, deren Existenz ich bisher angezweifelt hatte.
Verlässt man die Straßenebene nach unten, verstummt das Automobile und macht dem eisernen Geschrei der Subway Platz. Das rattert, rumpelt, quietscht dicht an der Schmerzgrenze. Wenn der Zug steht, ächzt er noch ein wenig nach und öffnet dann zischend seine Pforten. Es gibt 2 Arten von Zügen, den Express und den Lokalen. An vielen Stationen halten nur die locals. Da gibt es  Mittelspuren für die express trains, durch Säulen abgetrennt. Wenn ein express train durch die Station donnert, beginnt dies im unhörbaren Rumpelbereich, d.h. der Magen ist das Ohr. Das steigert sich recht schnell zu einem orgiastischen Höhepunkt, wenn das eiserne Geschrei, von den Säulen zerhackt, die ganze Station zum Erbeben bringt, und dann wird es wieder ruhig, so ruhig, dass man miteinander sprechen könnte, wäre man nicht mit Lesen, iphone-Gefummel oder Kaffeetrinken beschäftigt.
Wir erhöhen die Anzahl der täglich Transportierten auf 4,5 Millionen+2.
Das Subwaybrüllen dringt übrigens durch die Luftschächte nach draußen, vermählt sich mit dem Autogebrüll und erreicht unsere Fenster im 15. Stockwerk. Einmal dringen auch deutlich die Bässe eines nächtlich cruisenden Hiphop-Fans überlaut in diese Höhen. Entweder wurde er dabei für den Rest seines Lebens taub oder er war es schon.
Ein weiteres Hörerlebnis sind Brücken. Wir genießen den brutalen Heavymetalsound der Williamsburg Bridge direkt unterhalb am Ufer des East River. Auch da ein Mix zwischen Subway und Autos. Das Besondere am Brückensound sind die Fugen. Wer lange übt, könnte am Geräusch erkennen, welcher Reifen da gerade von der Fuge seinen Schlag erhält und antwortet.
Die Spitzen dieser Kakophonie werden zuverlässig behauptet von den nervigsten Sirenen weltweit von Ambulance, Police oder Firefighters, die gerade eine Katze von der Fensterbank im 18. Stockwerk retten.
Die Parks werden wiederum belagert von den Straßen und es ist ein Hochgenuss, zu erleben, wie deren Lärmpegel bei jedem Meter schwindet bis zu einem entfernten Rauschen. Und dann erst hört man wieder die Lebewesen der Stadt, erst die Kinder, dann die Vögel und dann das sanfte Geplätscher plaudernder Flaneure. Hin und wieder sind die Kopfhörer eines Joggers so laut eingestellt, dass man ein wenig mithören kann.
Und da ist er endlich, der Sound of Silence:

Mittwoch, 13. Juni 2012

USA today

Eine wichtige Komponente, wenn man wirklich eintauchen will in die Welt der Amerikaner ist, morgens USA today zu lesen. Heute ging es beispielsweise um "bullies" . Das meint: Schikanieren über Internet. Das führte im aktuellen Fall zum Selbstmord eines Teenagers. Er war sich seiner sexuellen Orientierung nicht sicher und wollte ein Mädchen werden. Die Gewaltbereitschaft der Straße setzt sich im Internet fort und soll auch da bekämpft werden.
Außerdem sollen Frauen nach der Menopause doch nicht soviel Vitamin D mit Kalzium futtern, um die Knochen zu erhalten und Darmkrebs zu verhindern. So gut waren die Studien doch nicht, die das so empfahlen. Also raus mit den Riesenvorratskübeln an Vitamin D aus den Hausapotheken.

Eine weitere Komponente ist das Frühstücksfernsehen. Über uns plärrt ein Flatscreen in die Hotellobby. Weil der Frühstücksraum völlig überlastet ist, sitzen wir unter der Glotze und ich gebe mir ein wenig Vitamin TV (CNN).
Da wollen die Republikaner einen semantischen Angriff auf den Begriff "climate change" starten, indem sie ihn einfach streichen und die Dinge vom großen Zusammenhang abschnippeln, indem sie "permanent flooding" sagen. Dann ist es halt immer wieder mal glühend heiß, es gibt entsetzliche Un wetter, Dauertornados, Riesenhagel, Monsterstürme, Dauerregen, Hitzewelle an Weihnachten aber das Klima ist eigentlich o.k.
Netter Versuch.


Montag, 11. Juni 2012

Halbzeit

Wir leben noch!
Gestern wurde der bisherige Kälterekord (by air conditioning) gebrochen. Den hielt der Lebensmittelladen in der Nähe der Studentenbude mit gefühlten 15 Grad in der Frischabteilung.
Die Subway unterbot das locker mit gefühlten 11 Grad im D-Wagen.

Wir hatten fast den ganzen Tag am Strand von Coney Island gegammelt und uns von Sonne und Meer verwöhnen lassen. Diesmal war es auch wirklich voll. Es war der erste offizielle Badetag des Sommers. Meine größte Sorge ist immer, dass sich jemand mit riesigem Ghettoblaster neben uns einrichtet und dann mit seinen Bässen mein Großhirn weichprügelt. Tatsächlich gab es um uns eine Menge solcher Geräte, die jedoch mit ihrem breit gefächerten Musikangebot ein wenig im Grundpegel untergingen.
Die Polizei ist immer präsent, entweder in 2er Patrouillen oder mit kleinen lustigen Strandbuggies, mit denen sie den Leuten über die Füße fahren. Das ist einerseits gewöhnungsbedürftig, auf der anderen Seite kommen eventuell vorhandene Hoodrats gar nicht erst auf dumme Ideen und so geht es recht friedlich zu, wenn sich alle Völker der Erde an diesem mächtigen Strand mischen.
Jutta haben es die Puerto Ricaner besonders angetan, die wohl irgendein Fest feiern und mit Liveband auf der Promenade abtanzen. Viele tragen Fahnen und alle strotzen vor Lebenslust. Dagegen schaut der weiße Durchschnittsami verdammt blass aus. So, als hätte ihn die Eroberung des Kontinents völlig ausgelaugt.

Ich mache mich mal auf die Sandalen zum Lunapark, um dort mein gefährlichstes Blähbäck-Video zu drehen:


Nach der Bearbeitung (Ausschnitt):



Sonntag, 10. Juni 2012

Rudern

Urlaub fängt an, wenn man alle Vorhaben über Bord schmeißt und sich treiben lässt.
Dieser Zustand ist ideal und ich kann mich nur annähern mit dem Ruderboot. Ich miete eines im Central Parc Boathouse und berudere damit gar nicht mal so ungeschickt, als hätte ich Seefahrer im Stammbaum, den Lake. Der ist wunderbar verwinkelt mit Brücken und kleinen Inseln . An stillen Uferecken gibt es zahlreiche Schildkröten und seltsame Vögel. Die Schildkröten liegen auf dem Felsen und machen Yoga.
Nur meine Tochter wagt es, bei mir einzusteigen, und wir drehen noch eine Runde, während ein zarter Regen herunternieselt und asiatische Paare Verlobungsfotos im Brautkleid schießen.
Am Nachmittag noch eine Pediküre (ich bin der einzige männliche Kunde) und dann das Match Nr.7 der Finals: Boston Celtics gegen Miami Heat.
Ein Schlachtfest und wirklich ein Urlaubstag.
Leider schmerzt der Hintern von der eisernen Ruderbank.
Central Park Boathouse


Samstag, 9. Juni 2012

Occupy ?

Mittags treffen wir uns mit unserer Tochter, die in der Nähe der Wall Street jobbt. Wir gehen dann zusammen essen. Im Zuccotti Parc, gleich gegenüber, begann die Occupybewegung. Davon ist nur noch wenig geblieben. Ein Aktivist sitzt an seinem Stand mit einer Sammeldose und ein paar Plakaten. er trägt einen Button mit der Aufschrift: "Hi, I'm God". Das mag wohl sein, zumindest kann ihm niemand das Gegenteil beweisen. Hin und wieder kommt es zu Diskussionen mit Passanten, doch Gott bleibt gelassen und hat auch die Wallstreet noch nicht mit einem sengenden Bltzschlag von der Erde gefegt.


Wenn  er so weitermacht, wird er noch vom Börsenstier gehandelt und aufgespießt.

Baseball

Wir sehen ein Spiel der New York Yankees gegen Tampa Bay im Stadion der Yankees. Die Anfahrt zieht sich von der Wall Street ganz im Süden bis in die Bronx, natürlich mit der Subway. Als nach langem Dunkel die Sonne mit gleißendem Licht in den Wagen bricht, atmen alle auf, als wäre es ein Ende der Polarnacht. Es hatte geregnet und es erwartet uns wieder einmal ein prächtiger Regenbogen und eine frisch gewaschene Stadt. In mächtigen Strömen pulst die Menge in Richtung des kolossalen Stadions, immer wieder mal im Fluss gestört durch Veteranen, die auf ihren Rollstühlen unterwegs sind, den Sammelbecher in der Hand, die Beine irgendwo im Irak oder in Vietnam.

Es ist eine mächtige Kathedrale. Unsere billigen Plätze sind ganz oben, dafür überdacht. Eine riesige Videowand zeigt Werbung und informiert über das Spiel. Baseball gehört zu den langweiligsten Sportarten der Erde und so werfen die Ameisen unten Bälle, die ein Schläger treffen sollte, damit sie nicht gefangen werden. Die Ameisen wechseln nach 3 Bällen. Das Spiel besteht aus 7 Innings und die Yankees schauen gar nicht gut aus. Die Dimensionen sind so gigantisch, als würde man von einem hohen Berg in eine tiefe Schlucht hinabschauen. Immer wieder pickt sich die Kamera Leute aus dem Publikum, die dann losschreien, wenn sie sich auf der Riesenwand sehen. Von der tierischen Fanstimmung in Fußballstadien ist das meilenweit entfernt. Noch bevor die Yankees mit 7 zu 1 in die Wüste geschickt werden, verlassen wir das Stadion und treten die über einstündige Subway-Odyssee nach Brooklyn in unser Hotel an. Ich lese mein Buch hauptsächlich auf diesen Fahrten und werde bald damit fertig sein. Es ist ein Thriller von Neal Stephenson: Cobweb und ich lese ihn im Original. Das macht fit.

Donnerstag, 7. Juni 2012

Wortschatz erweitern

Hoodrats

sind Burschen aus finsteren Gegenden, denen es an allem mangelt außer an Selbstbewusstsein.
Grundausstattung: Kapperl, Hoodie und tiefergehängte Hosen (= Baggypants). Dazu I phone, I pot und gewaltige Kopfhörer.
Stolz kämpfen sie sich durch den Dschungel ihrer Umgebung und haben keine Berührungsängste mit Waffen, Drogen und Gewalt.

Da sie das nicht alleine schaffen, sammeln sie sich ein Gefolge an. Das sind dann ihre
Homies


Ganz anderer Natur ist der
Treehugger

Er will mit allen Mitteln die Welt, die Natur, bedrohte wie bedrohliche Arten schützen und wirft sich, um dies zu tun mit seinem Körper zwischen die menschlichen Attacken und deren Ziele. Sein Gewand ist aus Naturfaser und mindestens aus zweiter Hand, seine Taschen recycelt oder recycelbar. Er selbst, mitsamt seinen Mobilien und Immobilien ebenso. Seine Informationen bezieht er aus baumwollenen Netzwerken und Eingebungen. Er weiss, dass alle Medien gekauft sind und die Botschaft Satans verbreiten. Er muss nicht religiös sein, kann aber eventuell Einrad fahren oder jonglieren. Wenn er einem Wal begegnet, rettet er ihn durch von Mund zu Mundbeatmung und Herzmassage. Nie würde er einen Delphin reiten oder eine Legebatterie aufladen.
Alkohol und Drogen lehnt er ab, es sei denn sie entstehen aus natürlichen Gärungsvorgängen.
Er liebt den Duft eines Bioladens und riecht selbst ähnlich.
Mit der Beziehungsfähigkeit ist es so eine Sache. Deshalb zieht es ihn auch zu Pflanzen, die ihn körperlich anziehen. Und so wird er zum Treehugger, deutsch: Baumumarmer.















Wiederholung aus dem letzten Jahr:

Geezer

ist so etwas wie ein alter Knacker oder alter Furz (Fart). In der Subway, in der wir uns während unseres Stadturlaubs (nach dem Bett) die meiste Zeit aufhalten, sprechen Jutta und ich deutsch. Manchmal flechten wir einfach ein lautes "old geezers" ein, worauf sich einige Köpfe ruckhaft umschauen mit einem gewissen nervösen Ausdruck. Das sind dann immer die runzeligen Köpfe von "geezers".

Mittwoch, 6. Juni 2012

Auf die Schnelle



Grand Central auf die Schnelle
und die National Library auf die Gemütliche.
Beide prächtig, einmal Hektik beim Menschentransport und dann die Stille, die aus vielen lesenden Menschen tönt.
Nicht weit voneinander entfernt und durchaus hilfreich, wenn es im Juni schüttet und kalt ist.



Eigentlich war Moma geplant. Doch die Schlange davor war nicht nur endlos, sondern auch beregnet und beschirmt.

Montag, 4. Juni 2012

Gewinnspiel



Auf diesem Bild sieht man in der Mitte ganz winzig die Dame, die den Vereinigten Staaten Freiheit versprach und heute Mühe hat, dieses Versprechen zu halten. Unser Hotel liegt praktisch da, wo sie hinschaut.


Die Frage lautet: Wo liegt unser Hotel?

Der Standort ist mit ein bisschen Trigonometrie und Google Maps leicht zu ermitteln. Wer dem Ort am nächsten kommt, erhält als Preis die Überraschungstüte aus Brooklyn.
Viel Spaß beim Tüfteln. Ich mach lieber Urlaub.

Gestern hatten wir es mit Nackten zu tun.
Coney Island in der Früh, und das heisst wirklich früh, weil wir um 5 wachwerden. Der Strand liegt prächtig und fast leer zu unseren Füßen nach einer Anreise mit der N durch abblätternde, grindige Stationen.
2 Mädchen gehen mit Klamotten in die Brandung. Die Sonne scheint vom blitzeblauen Himmel, der Wind pustet frisch von irgendwo. Ein Mann hüpft lachend im flachen Wasser. Als er aufsteht, sehe ich, dass er keine Badehose trägt. Er nähert sich den Mädchen, die das Wasser fluchtartig verlassen.
Viele Russen hier. Bevor wir wieder verschwinden, trinken wir einen Espresso in einem russischen Café. Eine Frau aus Usbekistan, die kaum ein Wort amerikanisch spricht, bedient uns.
Auf der Fahrt nach Manhattan Morningside Heights (Studentenbude), müssen wir am Times Square umsteigen. Vor uns entblößt sich ein gewaltiger schwarzer Hintern, senkt sich nieder und ergießt einen kräftigen Strahl Urin an die Wand der Station. Ein Fall von Emergency?
Heute kaufe ich alleine ein für eine Lasagne. Die vielen Kühlregale lassen mich fast erfrieren, während ich mich durch die Logik des Ladens kämpfe. Das Hackfleisch finde ich schlussendlich in einem Geheimgang, den man nur erreicht, wenn man den Quantensprung beherrscht.
Während des Essens geht ein Unwetter nieder und beschert uns nach Donner und Blitz einen wunderschönen Regenbogen, genau über der Kathedrale. So ziert Gott seine Häuser.




Sonntag, 3. Juni 2012

Zu Fuß nach Manhattan

Hotelfrühstück: Warum sind die hier alle so schwer, obwohl sie alles nur als light-Version essen?

Wir gehen zu Fuß vom Hotel in Brooklyn, Prospect Park nach Manhattan über Brooklyn Bridge. Unterwegs verliere ich ein wenig die Orientierung. Sobald man etwas fragend in der Gegend herumschaut, wird man angesprochen, ob man Hilfe braucht.
Ein sehr freundlicher Schwarzer mit seinem Sohn. Er glaubt uns fast nicht, dass wir unser Ziel zu Fuß erreichen wollen, "really?"
Eigentlich sind das nur so um die 7 km. Für uns nicht der Rede wert, für einen Amerikaner die Reise zum Mond.
Die Schnellbahntrasse über uns ist under construction. Eingepackt in düstere Folien, stecken ihre Betonbeine in der Stadt. Winzige Arbeiterameisen versuchen diese Stadt und ihre rostige, wacklige, chaotische Infrastruktur mit Tixo zusammenzuhalten. Bis jetzt hält es.
Versteckt zwischen den Baustellen, Ansammlungen von Körperteilen.






Das eigentliche Tagwerk wartet in Mornigside Heights, Manhattan auf mich: In der Studentenküche im 15. Stockwerk Kartoffelpuffer backen. Dazu Obst, Salate und natürlich Apfelmus. Die Studenten und ihre Bewunderer wird es freuen. Ich belohne mich mit einem Glas Rotwein auf der winzigen Terrasse, halte das Glas aber gut fest und genieße den Augenblick.

Samstag, 2. Juni 2012

Immigration

Wir sind in New York angekommen nach flotten 8 Stunden Flug. Ich habe beschlossen, zu dieser Reise nicht öffentlich zu bloggen, Man wird zu einem Reporterwesen, das alle Erlebnisse auf Blogtüchtigkeit abbürstet und sitzt ständig wie ein Idiot mit dem Schlepptop herum, wenn andere Espresso schlürfen und auf ihrem i phone rumdiddeln.
Naja, eigentlich auch nicht besser.
Aber die, die einfach nur dasitzen und schauen und den Ort ganz für sich einsaugen, ohne das gleich der ganzen Community stecken zu müssen, die haben es mir angetan.
Also schreib ich jetzt nur noch kurz, dass die Einreiseprozedur fast 3 Stunden gedauert hat, die Taxifahrt über heillos verstopfte Straßen nochmal über eine Stunde.
Aber all das verliert seinen Schrecken, wenn man von einer strahlenden Tochter abgeholt wird und im Hotel 2 King Size Megabetten warten.
Oh wie schön der Blick aus dem 10. Stockwerk Richtung Brücke nach Staten Island, deren Spitzen im grauen Gewölk des frühen Morgens verschwimmen.

Freitag, 27. April 2012

Substandard

Am folgenden Tag erschien unter Errata eine Erklärung.
Zu mühsam und fad zu wiederholen. Bla


An sich ist die Idee ja ganz originell. Denkbar wäre auch eine Schlagzeile:

Raser nach Todesfahrt durch Bergdorf gefasst

Darunter ein Fahrbericht über das neue BMW Cabrio.



Samstag, 24. März 2012

I Weiß

Außer meinem Handy ist bei mir zuhause alles von Apple:


  • Brotschneider - I schneid
  • Eierkocher - I cook
  • Elektrische Zahnbürste - I dent
  • Haargel - I gel
  • Künstliche Herzklappe - I klapp
  • Sonnenschirm - I schatt
  • Klo - I gagg
  • Hund - I kläff
  • Sofa - I penn
  • Zweitwagen - I zwei
  • Papiertaschentücher - I schnupf

Freitag, 23. März 2012

Außer Spesen nichts, Gehwesen


Der Moralpegel der Gesellschaft spiegelt sich in ihren Medien. 2 Beispiele zur Spiegelung der Verkehrsmoral:

Ich liebe Ursula Schnell, die jeden Dienstag nicht nur schnell ermittelt, sondern auch durch die Stadt rast, neben sich den armen Franitschek, der immer wieder fuchtelnd mit schreckgeweiteten Augen pädagogische Vorstöße wagt: „Sag, bist du deppert?“.
Aus der Perspektive der rasanten Schnell wirken die Geh- oder Radwesen wie Freiwild ohne Identität, Biomasse, die da immer mal wieder im Weg steht, Seiten wechselt und dann meist blöd schaut oder nachfuchtelt. Am Steuer die coole hübsche und intelligente Frau (und Polizistin!) und da draussen: Irgendwas, das zappelt und stört.
Da wechsle ich Gehwesen mal konspirativ die Seite und ärgere mich mit der feschen Kommisarin, verachte und übersehe mit ihr Gehwesen aller Art und finde Spaß an der Jagd auf diese Schwächlinge. Die Art, wie sie ihre Ziele verfolgt, ihre Welt und ihr Tempo machen Gehwesen zu Hindernissen, lästigen Störungen im Strom der Waren und Wichtigkeiten.
In Werner Beinhart ist es der Igel, der bereits beinlos in der Karre über die Straße stakst und jedesmal abgeschossen wird: Bruhaha.

Im Kino läuft derzeit mit prächtigem Erfolg „Ziemlich beste Freunde“, ein Film über die Freundschaft zweier Männer, der eine weiß, reich und gelähmt, der andere schwarz, arm aber topfit.
Ein Pärchen, das unterschiedlicher kaum sein könnte.
Was der Film mit meinem Thema zu tun hat? Am Anfang und Ende steht eine wüste Raserei mit einem Maserati über die dicht befahrene Autobahn, verfolgt von Polizeistreifen. Alles mögliche wird im Film infrage gestellt, vom Wert des Materiellen über die Diskriminierung von Einwanderern, Abgehobenheit der „Leitkultur“ bis zu Fragen der Gerechtigkeit.
Nur eines wird präsentiert als Selbstverständlichkeit, als reinster Ausdruck männlicher Vitalität und Freiheit in einer Welt der Zwänge: Das Herumrasen mit einem Boliden durch den dichtesten Zivilverkehr, pure Lust, blitzendes Männerzahnlachen, 2 Kavaliere, die mal eben ein wenig die Sau raus lassen. Ein Querschnittgelähmter, der seine Behinderung einem Paragleiterunfall und nicht einer Autokarambolage verdankt. Von der Polizei gestellt, gelingt es dem feschen Fahrer den bescheuerten Bullen glaubhaft zu machen, dass es um Leben und Tod geht, eine notwendige Raserei ins Krankenhaus, weil der sonst stirbt. Die endlich überzeugte Polizei eskortiert den Maserati daraufhin ins Spital. Natürlich ist alle Sympathie bei den Schlingeln angelangt.
Dass so eine Raserei, wie durch glaubwürdige Autostunts vermittelt, sicher einige Todesopfer, zahlreiche Schwerverletzte, darunter auch sicherlich Frauen, Kinder, Igel, Hunde, Omas und Opas gefordert hätte, fällt unter den Tisch unschuldiger männlicher automobiler Lebendigkeit, zelebriert auf einem Massakerati.

Dass auch Fahrräder Killer sein können, erfuhr ich neulich, als ich Karl Kraus googelte, um etwas über sein Ableben zu erfahren: Er wurde überfahren, und zwar von einem Radfahrer. An den Folgen des Unfalls verstarb er ein paar Monate nach der Kollision.
Auf diesem Hintergrund erscheint mir ein grundsätzliches Umdenken und eine massive Adaption der Straßenverkehrsordnung notwendig. Nicht der Autofahrer muss mittels Fahrschule seine Qualifikation für das Lenken eines Automobils erbringen (das kann heute jedes Kind ab 3),
der Fußgänger sollte zum Erwerb eines Gehscheins verpflichtet werden.
Das Gehwesen sollte erzogen werden zu Achtsamkeit und Zurückhaltung.
Die Polizei sollte Fußgänger vermehrt kontrollieren, Fehlverhalten bestrafen und die Autofahrer in Ruhe lassen.
Der Grundkurs der Gehschule wird sowohl Theorie als auch Gehpraxis mit einem zertifizierten Gehlehrer beinhalten.
Der Gehlehrer vermittelt während der Gehstunden, wie man respektvoll Autofahrern begegnet, ohne sie zu gefährden. Die Nachrangigkeit aller Gehwege muss deutlich gemacht werden.
Auf einem Übungsgelände muss eine Straße überquert werden, auf der sich Fahrzeugattrappen aller Art in einem Loop bewegen. Die Geschwindigkeit der Fahrzeuge ist variabel und wird sanft gesteigert. Der Gehschüler wird so trainiert auf veränderte Situationen schneller zu reagieren. Die Attrappen sind gepolstert, um Verletzungen gering zu halten. Sensoren halten Kollisionen fest und leiten die Daten zu einem zentralen Rechner, der für jeden Kursteilnehmer ein Konto anlegt.
Fehlverhalten führt zu Punkteabzügen, bzw. Strafen.
Eine Möglichkeit, Punkteverluste auszugleichen, könnte darin bestehen, in einer Waschstraße unentgeltlich Fahrzeuge zu reinigen, um so eine haptische Beziehung zu motorisierten Fahrzeugen herzustellen, die Aggressionen mindert.

Der Gehschein wird nur befristet ausgestellt und durch Nachprüfungen verlängert. Bei Anzeichen zunehmender Aggressivität und trotzigen Fehlverhaltens kann die Geherlaubnis entzogen werden.

Generell ist für die Teilnehme am Gehkurs ein psychologisches Gutachten und polizeiliches Führungszeugnis des Kandidaten vorzuweisen.

Alle Maßnahmen könnten durch das Versiegen der Rohstoffquellen überflüssig werden.
Aber das will doch niemand.

Donnerstag, 16. Februar 2012

Tot bei Grün

Wer erinnert sich noch an die frühere Ampelregelung, die den Kreuzungsverkehr so regelte, dass es einen kompletten Stillstand des motorisierten Verkehrs gab und den damals noch zahlreichen Fußgängern die Kreuzung für kurze Zeit völlig überließ?

Das hatte für den automobilen Fluss den Nachteil, dass er kurzfristig völlig abgewürgt und gehäckselt wurde: Stopp and Go
Die Fußgänger genossen einen Moment des Friedens und der Sicherheit, weil da nichts abbog.
In der Zwischenzeit kam es zum fast völligen Aussterben zu Fuß gehender Menschen und zum Aufstieg des Automobils zu einem erweiterten rollenden Fortsatz des menschlichen Körpers. Die gesamte Infrastruktur menschlicher Siedlung passte sich dieser Entwicklung an, und so schrumpften mangels Bürgern ihre Steige, ballten sich Einkaufsmöglichkeiten an Ortsrändern, die nur schwierig anders als automobil zu erreichen waren, und schließlich musste auch die Fußgängerampelphase dran glauben.
Stopp and Go bekamen die Fussgänger, Mütter mit Kindern und Kinderwägen, Schüler (-innen) und alte Leute.
Die Autos bekamen auf den Haupteinfallstraßen die grüne Welle und durften fließen.
Mit ihnen flossen die Fußgänger in der gleichen Richtung.
Der Haken dabei: Sie wurden zum Freiwild für den Abbiegeverkehr.
Der Linksabbieger starrt in den Gegenverkehr und lauert auf seine Gelegenheit, noch vor seiner Grünphase in seine Nebenstraße zu huschen. Dabei übersieht er leicht die querenden Fußgänger, die ihm bei seiner Vollbremsung empört in die Augen sehen und Schimpfworte brüllen. Der unkritisch signalhörige Fußgänger vertraut nämlich auf das grüne Männchen, das ihm wie ein Schutzengel forschen Schrittes den Weg leuchtet.

Angemessener wäre es, sich wie ein zartes Wild vor einer ganzen Schlachtreihe von geladenen Flinten zu sehen und weniger auf Grünmännchen als auf die Mündungsfeuer der Automobile zu schauen.
Der Rechtsabbieger sieht entweder einen Fußgänger auf sich zukommen oder muss sich etwas den Hals verrenken, um den Winkel rechts von sich einzusehen. Ungern steigt man auf die Bremse, fährt gerne etwas heftig an diesen Schwächling von Verkehrsteilnehmer heran, schiebt ihn zur Not ein wenig auf die andere Seite, lässt den Motor kurz knurren oder streift galant den Hintern des Gehwesens.
Diese bedrängte und bedrohte Spezies sollte ebenfall eher den Ampeln als ihren Sinnen vertrauen, sind sie doch nahezu unsichtbar für den eiligen Zeitgenossen hinter seiner Schutzscheibe.
Das Thema könnte so satirisch abgehandelt, Anlass zum Schmunzeln geben, herrschte nicht längst ein Krieg, der seine Opfer fordert. Autofahrer, wohlvertreten von ihren Clubs, einem Heer williger Anwälte, die auf ihre Limousinen eine Eid abgelegt haben, Politikern, die zu Fuß ausschließlich zum Rednerpult gehen, stehen dem unorganisierten, gar nicht mehr wahrgenommenen Gehwesen gegenüber und sind bereit drüber zu fahren.

Die Polizei ist längst zum Vollstrecker der automobilen Verkehrsteilnehmer geworden und weist Fußgänger zurecht, brav die Grünphasen zu achten und damit sicher ins Verderben zu gehen. Der simple Instinkt und auch die grundlegende Funktion des polizeilichen Apparates, die Schwachen zu schützen, sind im Benzinsumpf versunken. Aggressoren sind grundsätzlich Fußgänger und Radfahrer, denn wer geht heute zu Fuß, oder fährt Rad? Es sind Verweigerer von Konsum, Wirklichkeitsverweigerer, die dem Fortschritt im Weg herumlungern, schrullige Intellektuelle, Spinner, Grüne, Ökos, Biolädenkonsumenten und natürlich Migranten. Sie zahlen nicht einmal Steuern für ihre Nutzung der Verkehrswege, während der Autofahrer gewaltig blechen muss.
Und so liest man immer häufiger von Unfällen auf Schutzwegen, die meist gar nicht gut für die Fußgänger ausgehen. Da wird schon mal eine ganze Familie zusammengefahren, werden Schüler getötet, die auf ihrem Smartphone tippselnd selber schuld sind, wenn man sie abschießt.
Jeder Rest an Tötungshemmung schwindet in diesem hysterischen Fließzwang, der um Sekunden fuchst, ganz gleich ob es sich um Frauen, Kinder oder alte Menschen handelt.
Man schüttelt den Kopf, wenn man von solchen Massakern hört und geht zur Tagesordnung über. Längst rechnet hier eine Volkswirtschaft den Wert von Menschenleben auf gegen eine Störung im Fluss, im Wachstum, in der Mobilität.
Und die romantische Vorstellung der rundum grünen Ampelregelung für den Fußgänger fällt nicht einmal mehr den Grünen ein und nicht einmal mehr den Fußgängern selbst, denn weil ja alles so schnell fließt, verschwimmt auch die Erinnerung.

veröffentlicht im Online-Standard, interessant wegen der Reaktionen:
http://derstandard.at/1329870095745/Schattenseiten-der-Mobilitaet-Tot-bei-Gruen